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Fencen, Callejns und Cimbras
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oder Cowboys made in Paraguay

(Ricardo, Rosaleda, den 12.6.2000) Heute gibt es einen professionellen Viehtrieb. Uns helfen Mennoniten beim Eintreiben und Impfen einer wilden Herde zusammengewrfelter Rinder. Eine neue Herde Vieh sollte immer wieder in den Corral getrieben werden, damit die Tiere lernen und willens sind, dem Gaucho zu gehorchen und ihm zu folgen. Mit der Zeit gibt es auch ein Vertrauensverhltnis zwischen Mensch, Vieh und Pferd. Das ist bei dieser Herde absolut nicht der Fall, denn es sind alles Jungtiere aus unterschiedlichen Zuchten. Nicht mal eine erfahrene Leitkuh ist dabei.

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Der Viehtrieb htte schon vor einem Monat stattfinden sollen, aber es kam immer etwas dazwischen. Einmal war der Weg nicht fahrbar weil es viel geregnet hatte, ein andermal waren die Leute anderweitig beschftigt. Aber heute ist es soweit. Pltzlich um 10 Uhr vormittags sind sie da. Wir besprechen kurz, wer mit welchem Pferd reiten wird.

Da ist Marlene, die Frau vom Jim. Er reitet nicht, dafr reitet sie wie der Teufel. Nebst der tglichen Rinderarbeit reitet sie auch Carreras an den Rodeos. Diese Kurzstreckenrennen, 300 bis 600 Meter, werden meist ohne Sattel geritten. Vorzugsweise werden leichtgewichtige Jnglinge als Jockeys eingesetzt. Auf diesen kurzen Strecken sind die amerikanischen Quarter-Horses die Schnellsten. Diese Sprinter und exzellenten Cow-Horses, mit ihrem Sinn fr Rinderarbeit, sind darum auch hier in Paraguay sehr beliebt, aber auch relativ teuer. Die einheimischen Gauchos haben daher meist billige Criollos-Verschnitte. Die Quarter-Horses haben ihren Namen von den auch in Amerika beliebten Rennen ber eine Viertelmeile, eben: quarter of a mile. An den Rennen laufen zwei bis drei Pferde gegeneinander. Bei dem horrenden Tempo wird man richtiggehend in das Pferd gedrckt, etwa wie bei der Formel-1. Dort hat man jedoch eine Rckenlehne, Sicherheitsgurten und Bremsen. Diese Sachen fehlen beim Pferd. Solange das Pferd keinen Schwenker macht ist alles kein Problem. Probleme gibt’s dann aber beim Anhalten – die Pferde gehen ja praktisch durch. Dafr gibt es aber Hilfen: Nach dem Zieleinlauf sind zwei bis vier Gauchos da, die auf die Hhe der Rennpferde reiten und versuchen diese aufzuhalten, indem sie die Rennpferde in die "Zange" nehmen und abdrngen.

Um wieder zum Thema Rindertreiben zu kommen: Marlene nimmt die schwarze Stute aus der Herde vom Nachbar. Diese Stute ist bestimmt zwei Jahre nicht mehr gebraucht worden. Und wie sie vorher geritten wurde weiss niemand. Aber das ist kein Problem fr Marlene.

Dann ist da Herb, ein junger Typ, der berall fr Rinderarbeiten und Pferdehandling zu haben ist. Er ist mir auf Anhieb sympatisch, denn er wirkt ruhig, bescheiden, kompetent. Ich bin schon jetzt felsenfest davon berzeugt, dass er ein super Horseman – Pferdemann – ist. Er reitet unter anderem die Pferde von Marlene und Jim ein. An Rodeos reitet er Buckelpferde und Rinder.

Herb nimmt Leila. Diese Stute seht bei mir auf der Weide. Sie ist ferienhalber und zur Ausbildung hier. Leila pflegt ab und zu zu buckeln und von den Reiterhilfen hlt sie auch noch nicht sehr viel. Aber diese Details sind kein Problem fr Herb und zum Buckeln ist heute sowieso keine Zeit. Herb sattelt Leila sofort mit einem paraguayischen Sattel, einem Sattel mit viel Lammfell auf der Sitzflche und entsprechend wenig Halt. Ich bin einmal mit einem solchen Sattel geritten. Er ist schon ein bisschen gewhnungsbedrftig.

Ich nehme natrlich Gondolero, den Andalusier. Etwas halbherzig zwar, denn die Weiden sind gespickt mit Wurzelsplittern, vereinzelt liegengebliebenen Baumstmmen und nachgewachsenem Dornengebsch. Die Weiden sind ja aus gerodetem Busch entstanden. Da kann leicht etwas passieren, wenn man ber die Weiden galoppiert.

Dann ist da noch der Schwager von Marlene und seine Frau. Sie reiten nicht. Sie werden uns beim Impfen helfen. Marlene sagt, dass der Schwager seine Rinder mit dem Tff treibe. Ob das stimmt weiss ich nicht.

Herb und ich reiten zum Corral, wo spter die Rinder eingetrieben werden. In der Nhe ist die Herde mit der schwarzen Stute. Wir treiben die Pferdegruppe in eine kleine Abzunung und Herb holt ruhig die schwarze Stute heraus. Das Pferd wird nicht geputzt, dazu ist jetzt keine Zeit. Sattel rauf, und schwupps, schon ist Marlene im Sattel. Ein Klaps auf den Hintern (vom Pferd natrlich) und los geht’s. Marlene holt mit dem Pferd zwei Milchkhe von der Weide. Die werden uns als Leittiere dienen, wenn wir die Rinderherde in den Corral treiben.

Ich bin erstaunt wie schnell das alles geht. Ich htte erwartet, dass Marlene zuerst einmal ausprobieren wrde, wie das Pferd zu reiten ist, wie es reagiert und wie es an den Hilfen steht. Aber das ist offensichtlich nicht ntig. Das Fehlende wird es im Laufe des Tages schon noch lernen.

Mit den Khen voran reiten wir zur Fence, wo die Viehherde steht. (Fence ist mennonitenspanisch resp. –englisch und heisst Weide. Die erste oder zweite Frage die einem ein Mennonit stellt lautet: wo sind deine Fencen?) Unterwegs stellen wir die Cimbras, die leichten Drahttore so, dass der Weg zum Corral offen ist und die Abzweigungen abgesperrt sind. Eine speziell angelegte Treibgasse fr das Vieh heisst Callejn. Soviel zum Wortschatz und zur Theorie des Viehtreibens.

Nun kommen wir auf der Weide resp. Fence an, wo die zu impfenden Tiere stehen. Wir treiben sie zusammen und drngen sie Richtung Ausgang und Callejn. Herb fhrt die Spitze an. Zuerst geht alles gut. Dann brechen einige Tiere in der Mitte aus und wollen einen anderen Weg einschlagen. Marlene prescht diesen nach, holt sie ein und drngt sie wieder in den Viehpulk zurck. Derweil berwache ich den Schluss der Herde. Auch da wollen einige ausbrechen und mssen zurckgeholt werden. Immer wieder brechen einzelne Tiere aus und mssen in verwegener Aufholjagd zurckgeholt werden. Alles scheint gut zu gehen. Da nimmt die Herde pltzlich einen anderen Weg. Dann teilen sie sich auf. Einige versuchen sich im Busch, der als Schattenspender auf der Weide stehengelassen wurde, zu verstecken. Mit lautem Rufen und Gestikulieren treiben wir diese aus der Deckung. Endlich rennen alle dem Ausgang zu und in den Callejn. In zgigem Tempo galoppieren jetzt die Rinder dem Weg entlang. In angemessenem Abstand folgen wir, auf gleicher Hhe reitend, dem Rinderpulk nach. Wir drfen die Rinder nicht zu sehr bedrngen, denn sonst wrde die Gefahr bestehen, dass sie ber die Abschrankungen und Zune springen wollen. Sind wir zu weit weg, so wrden einige das Tempo verlangsamen und der Pulk wrde sich in die Lnge ziehen oder sogar auseinanderbrechen.

Ein Rind liegt am Boden. Ich will zurck um es voranzutreiben. "Liegen lassen, es ist entkrftet und kann nicht mehr. Das holen wir uns spter" ruft Marlene mir zu. Da htte ich alleine sicher einen Fehler gemacht. Es ist nun wichtig, dass der Hauptharst nicht auseinanderbricht. Schon ist der Corral in Sicht. Jetzt geben wir ein wenig Druck, das heisst wir reiten ein bisschen nher heran, um so die Herde praktisch in den Pferch zu schieben. Vor dem Eingang in den Corral bremsen sie jedoch ab und wollen sogar zurck. Wir stellen unsere Pferde quer, um jeden Ausbruchsversuch zu unterbinden und rufen und schwingen die Hte, um sie so zu animieren, in den Corral zu gehen. Das gelingt uns auch bald. Diese Stelle ist immer am heikelsten, weil die Tiere sehen dass es nicht mehr weiter geht.

Nun werden die Rollen oder mtchen verteilt, die jeder einzelne beim Impfen einnehmen muss. Paketweise werden die Rinder in den Gang getrieben, wo sie gegen Parasiten und Krankheiten geimpft werden knnen. Die Rinder in den Behandlungsgang zu treiben ist eine delikate Angelegenheit. Fhlt sich ein Rind zu bedrngt oder schikaniert, so kann es schon mal zum Angriff bergehen. Schnell zur Seite springen und in Deckung gehen ist dann die Devise. Bei der letzten Impfaktion kam einer ganz bs unter die Rder, resp. Hufe.

Die ganze Aktion geht nun zgig voran. Nachdem alle geimpft sind steht die Herde in einem neuen Pferch. Wir besprechen das weitere Vorgehen. Wir wollen die Rinder nach dem Mittagessen aus dem Corral lassen und auf eine neue Weide treiben. Pltzlich lsst der Schwager die Rinder raus. "Was ist los", frage ich, "die Cimbras sind noch offen; die Rinder knnen berall hin!". "Die holen wir uns schon" ruft Marlene und schwingt sich aufs Pferd. Auch Herb prescht den Entflohenen hinterher. Nachher erklrt man mir, dass einige Rinder im Pferch am Boden gelegen seien und dass bei dem Gedrnge ein Tier bereits nach zehn Minuten ersticken knnte. Ich schwinge mich auf den Pickup des Schwagers und er fhrt los. Wir berholen die fliehende Herde und stellen die Cimbras richtig. Unterdessen halten Herb und Marlene die Herde bereits in Schach. Nachdem die neue Weide geffnet ist, werden die Rinder auf diese entlassen. Fr die Rinder ist es ein positives Erlebnis, wenn sie nach so viel Stress auf eine frische Weide drfen. Und fr uns ist es positiv, wenn wir nach so viel Hektik in der Beiz essen und ein (zwei) Bier zur Brust nehmen knnen.

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